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Der nackte Wahninn
Rezension

Bei der britischen Komödie „Der nackte Wahnsinn“ ist Timing alles. Dass das nicht nur in der berühmten Verfilmung funktioniert, demonstrierte das versierte Ensemble des Salzburger Landestheater bei der Premiere: humorvoll, kurzweilig und sehr unterhaltsam.


„Noises Off!“ ist der Befehl, der auf der Hinterbühne für Ruhe sorgt, bevor der Vorhang fällt. Gleichzeitig handelt es sich dabei auch um den Originaltitel von Michael Frayns Komödie „Der nackte Wahnsinn“, einer Farce in der  Farce.
Thomas Enzinger inszenierte das temporeiche Stück, das seinen Schauspielern ein Höchstmaß an Präzision abverlangt, am Salzburger Landestheater kurzweilig und Türen stark (Bühne: Thomas Pekny, Ausstattung TOTO). Dreh- und Angelpunkt ist der erste Akt einer Tourneetheater-Produktion. Das Publikum ist immer dabei. Zuerst bei der Generalprobe, dann bei einer Vorstellung und schließlich bei der Dernière. Dass sich das Stück dementsprechend verändert, ist naheliegend. Texthänger, vergessene Auftritte und Abgänge oder klemmende Requisiten sind dabei nur ein Teil des Problems. Hinter der Bühne finden die eigentlichen Dramen statt.
„Der nackte Wahnsinn“ gewährt überspitzten Einblick in eine Welt, die dem Großteil des Publikums verschlossen bleibt. Umso vergnüglicher und stereotyper lassen sich bereits die Proben des Ensembles an. Sascha Oskar Weis führt ein an Größenwahn grenzendes Regie-Regiment, das er mit Hingabe und sichtlicher Spielfreude zelebriert. Britta Bayer mimt derweil eine leicht vergessliche Dotty, die jeden überdreht mit „Liebling“ oder „Schatz“ tituliert. Überhaupt ist das so eine Sache mit den Kosenamen; „der nackte Wahnsinn“ persifliert das Künstlertum mit Verve und Hingabe. Gerade diese hyperbolischen Figurenzeichnungen konstituieren aber auch den Reiz des Stücks. Irgendwann ist es schließlich auch bei Dotty mit den Nettigkeiten vorbei; verbittert und resigniert leiert sie ihren Text herunter. Für Slapstick artige Einlagen sorgen derweil Garry (Marco Dott) und Frederick (Marcus Bluhm) als Rivalen wider Willen. Hinter der Bühne trachtet der eine nach dem Leben des anderen; mit viel Körpereinsatz hüpft M. Bluhm über die Hinterbühne, während M. Dott mit der Axt und zusammengebundenen Schuhsenkeln auf ihn losgeht. Julienne Pfeil verkörpert währenddessen eine entzückend auf Harmonie bedachte Belinda. Zugegeben, auf Dauer wäre so eine Belinda vermutlich anstrengend, aber für einen turbulenten Abend lässt es sich ganz gut aushalten mit der immer-fröhlichen Friedensstifterin. Köstlich übrigens auch Janina Raspe als einfältige Brooke auf Dauer-Kontaktlinsen-Suche oder Walter Sachers als ewig abgängiger Selsdon. Zusätzlich amüsiert Hanna Kastner als hibbelige und hochgradig nervöse Regieassistentin Poppy, die sowieso immer unter Generalverdacht steht. Aber auch Tim (Gregor Schleuning), der Inspizient und Bühnenmeister, sorgt mit seiner leicht dusseligen Manier für großartige Lachmomente.
Die Bühne dreht sich immer weiter. Von der stolzen Vorderbühne, zur wenig glamourösen Hinterbühne und schließlich zur abgelebten Dernière-Kulisse. Dass an diesem Abend tatsächlich kein Mord begangen wird, scheint genauso mysteriös wie die Tatsache, dass alle Schauspieler punktgenau ihre Auftritte und Abgänge durch die richtigen Türen treffen. Temporeicher Komödien-Wahnsinn, der beim Publikum auf hörbare Gegenliebe stößt.
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© Veronika Zangl, 2017

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Marco Dott und Janina Raspe