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Qui qu'a vu Coco? - Mythos Coco (Chanel)

Mit seiner Uraufführung „Mythos Coco“ begibt sich der Salzburger Ballettchef und Choreograf Peter Breuer auf die beruflichen und amourösen Spuren von Modeikone Coco Chanel.

Ausgangspunkt ist Paris. Eine elegante Frau lässt Mannequins auftanzen und ist der glänzende Stern am französischen Modehimmel, ehe sich das Zeitfenster verschiebt und die Vergangenheit Eingang auf der Bühne findet. Ein kleines Mädchen läuft über die Bühne und sucht vergeblich nach „mon papa?“.

Peter Breuer feiert Jubiläum. Mit „Mythos Coco“ präsentiert das Landestheater Salzburg das 50. abendfüllende Ballett des Choreografen und Ballettchefs. Deshalb scheint es auch angebracht, dieses Ereignis in den Konnex einer außergewöhnlichen Persönlichkeit zu stellen. Coco Chanel revolutionierte einst die Modewelt und neuerdings auch die des Balletts.

„Mythos Coco“ ist Programm; Peter Breuer begibt sich auf die Spuren der Grande Dame der Modeindustrie des frühen 20. Jahrhunderts, die nicht nur mit dem Kleinen Schwarzen, kurzen Röcken und Chanel No.5 für einen bleibenden Eindruck sorgte. Coco Chanel forderte mehr Bewegungsfreiheit für die Damen und wählte als Credo die Schlichtheit. Intentionen und Ideale die auch im „Mythos Coco“ aufgegriffen werden. Gleichzeitig setzt das Ballettensemble des Landestheaters vor allem auf Pathos und Leidenschaft und widmet sich ausführlich den einzelnen amourösen Abenteuern der großen Modeschöpferin, die in die Doppelrolle Coco/Chanel unterteilt wurde. Musik und Beleuchtungen akzentuieren die einmal freigesetzten erotischen und anderweitigen Affekte und verleihen dem Ballettgeschehen eine ganz eigene Note (Bühnen- und Kostümbild: Bruno Schwengl). Die Inszenierung von Coco Chanels Liebesbeziehungen scheinen nur vordergründig kongruent. Rasch wird deutlich, dass Breuer mit Akribie die individuellen Hintergründe und damit verbundenen divergenten Emotionen in seine Choreografien einfließen ließ. Mit Arthur Capel (Marian Meszaros) frönt die junge Coco (Liliya Markina) leidenschaftlich und jugendlich ungestüm den Freuden des Lebens, ehe Capel auf tragische Weise verunglückt. Interessanterweise ist es just die vermeintliche Vaterfigur (Josef Vesely), die simultan als Todesanalogie fungiert und Coco Chanel jeweils das Liebste raubt. Wie einst als junges Kind, vom Vater im Stich gelassen, ist sie wieder auf sich alleine gestellt. Die Wandlung der jungen Frau wird deutlich und ihre Verhärtung zunehmend sichtbar. Nach der Trauer um Arthur nimmt sich Misia Sert (Cristina Uta), Freundin und Förderin zahlreicher Pariser Künstler, ihrer an und ein homoerotisches Moment findet Eingang. Gleichzeitig lernt Coco Chanel durch sie den verheirateten Komponisten Igor Strawinsky kennen und beginnt eine Affäre, deren Choreografie von weiblicher Verführung geprägt ist, ehe Strawinskys eifersüchtige Ehefrau dem sinnlichen Treiben ein jähes Ende bereitet. Beinahe hämisch sitzt Coco, oder ist es bereits Chanel (Anna Yanchuk), auf der Chaiselongue und beobachtet das eheliche Drama scheinbar ruchlos. Erst Grafiker und Designer Paul Iribe (Marian Meszaros) vermag wieder an Coco Chanels leidenschaftlichem Gefühlsspektrum zu rühren.
Berufliches gerät bei soviel amouröser Dramatik in den Hintergrund, da der kurzweilige „Mythos Coco“ Abend nur zwei Stunden besitzt. Trotzdem wurde nicht auf die geschäftlichen Höhepunkte und modischen Meilensteine verzichtet, die Coco Chanel ins Leben rief. Zahlreiche kreative Textilzitate prägen ihre Geschichte. Vom Bühnenhimmel hängen hübsch drapiert und keck die Hüte, mit denen die Modedesignerin ihre Karriere begann. Auch die Abwendung Cocos von den gängigen Modeklischees darf nicht fehlen und überhaupt bestechen vor allem die Kostüme der Produktion, bei deren wunderbaren Umsetzung Chanels Credo nach Schlichtheit und Eleganz einfloss.

Zu melancholisch-heiteren Klängen endet der „Mythos Coco“. Gleichzeitig ist es auch Coco Chanels Heimkehr zu sich selbst und in den väterlichen Hafen. „Mon papa!“ ruft das kleine Mädchen freudig und stürzt sich im transzendenten Bereich in die Arme des einst Verlorenen. Großer Schlussapplaus.

© Veronika Zangl, 2016

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