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"Zuhause" - Schauspielhaus Salzburg

Pointierte Situationskomik bei der Premiere von Ingrid Lausunds „Zuhause“ (Regie: Caroline Richards) am Schauspielhaus Salzburg.

Zuhause ist einer jener Alltagsorte, die Ingrid Lausund als Thema für ihr literarisches Schaffen wählte. Die Autorin und Regisseurin gehört zu den erfolgreichsten Dramatikerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur und beschäftigt sich gerne mit alltäglichen Banalitäten, zwischenmenschlichen Situationen und inhomogenen Moralvorstellungen.

Für das Schauspielhaus Salzburg inszenierte Caroline Richards jetzt Lausunds „Zuhause“  und setzt  dabei vor allem auf die Kraft der intensiven Monologe, die das Herzstück der Dramatisierung bilden. In das fügt sich auch ganz vorzüglich das einstöckige Bühnenbild (Ragna Heiny), das gerade durch seine konträren Wohnräume und entsprechendes Interieur tiefe Einblick in die mannigfaltigen Psychen der Protagonist*innen gewährt.

Die Figurenzeichnungen sind dabei naturgemäß nicht ganz so simpel, wie es eingangs gerne den Eindruck erwecken möchten. Selbstverständlich entpuppt sich das aufgesetzte Lächeln der einzelnen Mitwirkenden als trügerisch und werden die beschaulichen „Bless this home...“-Töne aus dem Lautsprecher alsbald obsolet geführt. Die heile Welt der deutschen Durchschnittsbürger*innen, als das entlarven sie Lausunds bundesdeutsche Phraseologismen, erfährt eine sehr radikale Dekonstruktion. Die sympathische und in Pastelltöne gehüllte, träumerische junge Frau (Alexandra Sagurna) stellt zwar eine türkische Reinigungsdame zwecks der besseren Völkerverständigung ein, aber so ganz will ihr Projekt nicht aufgehen. Christiane Warnecke begeistert als euphorische Wellness-Anhängerin, die sich ihre ganz eigene Wohlfühloase im heimischen Badezimmer schuf. Doch dann der absolute Stimmungswandel, denn da sind das schlechte Gewissen und die düsteren Visionen, die sie wie aus dem Nichts befallen. Durch die langen Gänge eines schwedischen Einrichtungshauses irrt ein melancholischer und zunehmend zorniger werdender junger Mann (Magnus Pflüger), der trotzig seinem Fluch als perfekter Zielgruppenvertreter entkommen möchte. Für Beklemmung sorgt indes Lukas Möschl mit seiner Darstellung des naiven, kaum erwachsenen Jungen, der Zeit seines kurzen Lebens vor allem Abneigung und Misshandlungen begegnete. Sorglos lächelnd sitzt er jetzt in seinem Kühlschrank und erzählt nonchalant von den traumatischen Erlebnissen. Da im Tragischen bei Ingrid Lausund auch gleichzeitig das Komische verortet ist, dringt das sorgsam unterdrückte Lachen doch nach außen. Spätestens im personifizierten Albtraum einer weiteren jungen Frau (Bernadette Heidegger) darf es das dann auch umso ungenierter. In dieser zum Leben evozierten Traumsequenz nämlich geben sich ungewöhnliche BesucherInnen die Türklinken in die Hand; fabelhaft Antony Connor als garstig gefühlsreduzierte Mutter, Ch. Warnecke als streng ermahnender Erzengel oder A. Sagurna als gekränktes Croissant.

Die Demontage von Caroline Richards „Zuhause“-Inszenierung schreitet munter voran. Die Heiterkeit im Saal ebenso. Das Identifikationspotential scheint stellenweise groß, für jede*n Zuschauer*in sollte sich deshalb ein Stückchen finden lassen. Oder wie es Thomas Manns Bendix Grünlich formulieren würde, „das putzt ganz ungemein“. (Spielplan...)

© Veronika Zangl, 2016

 

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