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„Meine Stille Nacht“ ein Musical - Uraufführung

Hollywood in der Felsenreitschule

In Salzburg feierte mit „Meine Stille Nacht“ ein Musical (Made in USA) Uraufführung – und versprüht nicht nur den Geist der Weihnacht, sondern auch jede Menge gute Laune.

Zugegeben, die Felsenreitschule ist eine opulente Kulisse für jedes Stück und Andreas Gergens „Meine Stille Nacht“ scheint da keine Ausnahme. Das Musical wurde zu Ehren von 200 Jahre „Stille Nacht“ geschrieben. Ein Auftragswerk in amerikanischer Hand: Das Buch stammt von Hannah Friedman, die Kompositionen von John Debney und die Liedtexte von Siedah Garrett. Das erklärt dann auch die großen Ensemble-Szenen und das farbenfrohe Treiben, die die Bühne des Festspielhauses mit Leben erfüllen.

Justin ist kein Freund von Weihnachten. Der 29jährige wohnt noch zu Hause und träumt von seiner ersten großen Liebe. Die hatte er mit 13 und nach dem ersten Kuss verschwand sie spurlos. Mit dem Leben unzufrieden, beschließt Justin, nach Salzburg zu reisen, der Heimat von Lizzy. In der Mozartstadt trifft er auf die einstige Schulliebe, die mittlerweile einem Jugendchor vorsteht. Ihr bald Verlobter und Festival-Leiter Hans Brunner heuert Justin als Chorleiter an. Elisabeth und Justin stehen aufgrund von Justins Affinität für ungewöhnliche Musik im traditionellen Salzburg schnell ohne Kinder da. Deshalb casten sie von der Straße und kreieren eine Band aus bunten Außenseitern.

„Stille Nacht“ ist in Salzburg so etwas wie das Nationalheiligtum. Das darf auch nur am 24. Dezember gesungen werden. Gute Nachrichten also für alle Traditionalisten: Das neue Musical ist keine Verkitschung von Joseph Mohrs Geschichte. Es baut vielmehr auf den Werten von Mohrs Text auf. Liebe, Frieden und Nächstenliebe, das sind auch die Pfeiler, die „Meine Stille Nacht“ konstituieren. Wer ganz genau hinhört, erkennt im Song der All Stars dann auch eine moderne Variante des uralten Klassikers. Einmal mehr allerdings im übertragenen Sinne und von der Euphorie, mit der der Song von allen aufgegriffen und seine Botschaft verstanden wird.

Für „Meine Stille Nacht“ schlüpfen Milica Jovanovic und Dominik Hees in die Rollen von Elisabeth und Justin und bilden damit das perfekte Paar. Auch wenn die Dramaturgie von mehr anfänglichen Konflikten profitieren würde und die Storyline im Oberflächlichen verharrt, der Herzschmerz sitzt. Außerdem begeistern die beiden Darsteller stimmlich. Die Intonation beherrscht auch Elisabeths Mutter, die Baronin (Bettina Mönch). Zwar hat sie nur ein Solo, mit dem begeistert Mönch allerdings den kompletten Saal. Auch schauspielerisch läuft sie einmal mehr zu Hochformen auf. Das Maliziöse ziseliert sie fein aus ihrer Figur und ergänzt sich wunderbar mit Sascha Oskar Weis. Der darf als Hans Brunner einmal mehr in seine Wiener-Paraderolle schlüpfen. Dass er dabei als Salzburger durchgehen soll, scheint das Gros des Publikums nicht zu stören. Tatsächlich besticht Weis vor allem mit seiner charmanten Note, die er subtil ins rechte Eck zu rutschen vermag, ohne dabei an Glaubhaftigkeit einzubüßen. Im Gegenteil, im Laufe des Spiels läuft er zu braunen Ausrutschern auf, dass einem das Lachen im Hals stecken bleiben möchte. Marco Dott indes verbreitet als Elliott typisch amerikanische Laune, wenn er nicht gerade das Ballett-Ensemble komplettiert. Die verschmelzen immer wieder mit den Musical-Leuten, wodurch ein farbenprächtiges, divergentes Bild entsteht – das auch noch singen kann (Kostüme: Regina Schill, Choreografie: Kim Duddy). Diese Diversität wird auch beim Bühnenbild und bei der Jugendband aufgegriffen (Bühne und Videodesign: fettFilm, Lichtdesign: Richard Schlager, Sounddesign: Nenad Milosavljevic). Letztere werden mit sämtlichen Klischees bedacht. Da sind die österreichischen Problem-Jugendlichen (Julius von Maldeghem als aufmüpfiger Sam und Melanie Maderegger als verschlossene Johanna), der Musiker Dom aus Nigeria (Savio David Byczak) oder das Geschwisterpaar aus Syrien (Leonard Radauer als Amal und Elisa Afie Agbaglah als Elisa) sowie Transgender Vi (Ivan Vlatkovic mit beneidenswertem Catwalk) die allesamt natürlich auch treffsicher intonieren. Als junge Elisabeth und junger Justin erfreuen Maria Straßl und Paul Stein. Letzterer vor allem durch sein verlegenes Lachen, wenn er mit seiner Flamme spricht.

Selbstverständlich kommt auch eine „Meine Stille Nacht“ nicht ohne den Klassiker aus Mohrs Feder aus. Am Ende wird der 200jährige Hit dann doch gesungen, in Begleitung des Mozarteumorchesters (musikalische Leitung: John Debney, Robin Davis). Das ist allerdings selbst für hartgesottene Heilig-Abend-Verfechter verschmerzbar und dürfte wohl daran liegen, dass es sich jetzt wirklich so anfühlt als wäre bereits der 24. Dezember – auch wenn es noch ein paar Tage oder Wochen dauert.

(Veronika Zangl, 2018)

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